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MIM / PSSM 2: Warum werden Pferde trotz Futterumstellung wieder schlechter?


Dies ist kein weiterer Beitrag zum Thema Futterumstellung des MIM (PSSM2) Pferdes. Ich möchte eine ganzheitliche Betrachtung zu dem Phänomen liefern, warum Pferde immer wieder Verschlechterungen trotz MIM gerechter Fütterung und Haltungsoptimierung erleben. Und dass sich daraus ein langfristiges und umfassendes Therapiekonzept ableiten lässt, das eben nicht beim Futter und einer warmen Decke aufhört.


Leider oft der Fall: Das MIM (PSSM2) Pferd verschlechtert sich wieder

Für viele MIM Pferde ist die Futterumstellung der Einstig in eine erstmalige, deutliche Verbesserung der Symptome. Stärke und Zucker in der Ration werden reduziert, Aminosäuren zugefüttert, um Limitationen im Aufbau der Muskulatur zu vermeiden. Noch Magnesium, Mangan, Vit E zugefüttert. Und dann wird gewartet… Und tatsächlich: Manche Pferde reagieren unmittelbar mit einer Verbesserung der Symptome, manche brauchen etwas länger. So oder so: Die richtige Fütterung scheint der Gamechanger bei MIM zu sein. Als Besitzer hat man wieder ein Pferd, das Freude an der Bewegung zeigt und man selber findet wieder Spaß am Reiten. Keine ganz günstige Fütterung, aber um unserem Pferd zu helfen, behalten wir das neue Futterregime bei, denn wir möchten unserem Pferdefreund schließlich ein gutes Leben bieten.

Meine persönliche Erfahrung mit meiner eigenen N/P3 - N/Px Stute, aber auch vielfach mit meinen Patientenpferden ist: Trotz eines passenden Futterplans treten phasenweise wieder Symptome auf und die Pferde erleben so etwas wie einen „MIM Krankheitsschub“. Was man irgendwie schon längst „im Griff“ zu haben schien, kommt wieder zurück:

  • Plötzlich auftretende Verschlechterung der Bewegung und Rittigkeit: Steif, unblanaciert, taktunrein, bis hin zu ataktischen Bewegungen und unklaren Lahmheiten

  • Schwache, steife Hinterhand, schweres Aufhalten beim Schmied oder therapeutischen Behandlungen, festgehaltener Rücken

  • Geduldig aufgebaute Muskeln verschwinden vermeintlich „über Nacht“

  • Das Pferd zeigt Anzeichen vielleicht sogar für Trageerschöpfung: Die Tragemuskeln scheinen irgendwie überlastet, das Pferde „schief“ in der Vorderhand, Rumpf und Wiederrist sacken zwischen den Schulterblättern ab.  

  • Viele Pferde zeigen eine erhöhte innere Unruhe und Störungen des Schlaf-/Wachrhythmus bis hin zur Pseudonarkolepsie

  • „Guckig-zuckig“: Müdigkeit und Erschöpfung wechseln zu explosivem Verhalten in Umgang und Training

  • „Trainingsresistenz“: In akuten schlechten Phasen versagen scheinbar alle sonst funktionierenden Maßnahmen, um Lockerheit und Losgelassenheit zu erarbeiten: Stangenarbeit, lockeres Ausreiten, frisches Vorwärts, Gymnastizieren, aktive Pausen… alles erscheint aktuell irgendwie nicht zielführend.

  • „Therapieresistenz“: Im akuten „Schub“ helfen auch therapeutische Maßnahmen, wie Chiropraktik oder Physiotherapie, irgendwie nicht wie sonst.

Treten diese Verschlechterungen auf, führt das meist zu Frust und totaler Verunsicherung. Noch mehr Aminosäuren, mehr Magnesium? Oder doch ein extra Schüppchen Mangan? Oft ergeben sich dann Versuch und Irrtum. Oder, noch schlimmer, man lässt es doch sein mit dem teuren Futter und geht zurück zur Normalversorgung, die in der Vollpension des Stallbetreibers enthalten ist.

Jetzt ist es aber entscheidend, nicht den Kopf zu verlieren oder zu resignieren, sondern einen ganzheitlichen Blick auf MIM zu entwickeln. Dann wird klar, warum Futter zwar essenziell wichtig ist, jedoch nicht jedes Problem für immer lösen kann.

Um zu verstehen, welche Auswirkungen MIM auf das Pferd in seiner Gesamtheit hat, muss man zunächst verstehen, wo MIM ursächlich Probleme bereitet.

Vorrangig eine Muskelerkrankung, eine Belastungsmyopathie, ist natürlich die Muskulatur betroffen. Aber dabei hört es nicht auf.  MIM kann besonders wichtige Muskelgruppen, aber auch das Herzkreislaufsystem, die Atmung und Sauerstoffversorgung der Zellen, und sogar die Balance des Hormonsystems beeinträchtigen. Aber eins nach dem anderen:


1. Verstehen, welche Muskulatur bei MIM (PSSM2) besonders betroffen ist:

MIM betrifft zunächst einmal alle Muskeln der sogenannten quergestreiften Skelettmuskulatur. Sprich, des Bewegungsapparates des Pferdes. Oft wird angeführt, dass MIM Pferde eine schwache Rückenmuskulatur aufweisen. Daher schenkt man dem Rücken viel Beachtung, sowohl therapeutisch, als auch mit dem richtigen Sattel, mit wärmenden Decken und lösendem Training. Das ist für jedes Pferd wichtig und richtig, darf jedoch meiner Meinung nach bei MIM (PSSM2) nicht der einzige Fokus sein. Denn so übersehen wir Muskelgruppen, die von MIM noch viel mehr betroffen sind: Innerhalb der Skelettmuskulatur weist das Pferd als Fluchttier eine Besonderheit auf: Es verfügt über Muskeln mit besonders hohem Anteil an sogenannten Typ IIb Muskelfasern. Diese befinden sich vor allem in der Sitzbeinmuskulatur und den Glutaen, also den mächtigen Muskelgruppen der Hinterhand, die den spurtstarken Motor des Pferdes bilden: Diese schnell anspringenden, sogenannten „Fast Twitch“ Muskelfasern sind in der Lage, in Millisekunden zu kontrahieren und dem Pferd einen Fluchtsprint zu ermöglichen. Oder für gewisse Zeit in die Aufrichtung zu kommen, sich „zu setzen“ und maximal Kraft aus den Hanken heraus zu entwickeln. Typ IIb Fasern generieren blitzschnell Energie, indem sie die Glycogenspeicher der Muskelzelle anzapfen und Glucose für eine körpereigene, schnelle Energielieferung freisetzen. Diese Muskelfasern arbeiten jedoch immer anaerob, das heißt ohne Sauerstoff, und bilden so Laktat als Stoffwechselprodukt. Bekannt als „Sauermacher“ der Muskulatur und verantwortlich für Muskelkater, Mikroläsionen in der Muskelfaser und Steifigkeit. Auch verliert der Muskel jedes Mal an Substanz, da Muskelproteine verstoffwechselt werden. Sprich: Sie schwinden.

Beim MIM Pferd passieren diese, eigentlich normalen, aber eben auch abbauenden Stoffwechselprozesse, in einer zusätzlich strukturgeschädigten Muskulatur. Daher sehen wir ganz oft erste Probleme eines „MIM Schubes“ in der Hinterhand mit den Symptomen von Steifigkeit, Schwäche oder Taktverlust. Eben dort, wo sich TYP IIB Fasern befinden. Genauso in der Tragemuskulatur, wie etwa den Brustmuskeln, wenn wir beobachten, dass Pferde im Widerrist absacken.


Es sind also vor allem die Muskeln der Hinterhand und Tragemuskeln des Rumpfes, die bei MIM (PSSM2) besonders betroffen sind! Hier beginnt oft die Verschlechterung innerhalb der Symptomatik. Und hier muss daher auch jedes MIM (PSSM2) Therapiekonzept zuerst ansetzen. Ein schlecht bemuskelter Rücken ist, vorsichtig gesagt, Folge, nicht Ursache.

2. Verstehen, dass auch das Herz ein Muskel ist:

Wie bei jedem Bewegungsmuskel, bauen regelmäßiges Training im Wechsel und ausreichende Ruhephasen Ausdauer und Leistungsfähigkeit des „Muskels Herz“ auf. Der Herzmuskel ist in seiner Struktur mit der quergestreiften Skelettmuskulatur identisch. Also ist wohl auch das Herz und damit das Herz-/Kreislaufsystem durch die Struktur- bzw. Stoffwechselschädigung bei MIM (PSSM2) betroffen. Dazu kommt die Stressanfälligkeit beim MIM Pferd, dass gern mit etwas mehr „Puls“ unterwegs ist.

Ist das Herz des MIM Pferdes also nervlich „unter Stress“ und wird zusätzlich im Training übermäßig belastet, ist auch ein Abbau von Muskelgewebe des Herzens zu befürchten. Nicht umsonst lassen sich bei MIM Pferden immense Schwankungen in Ausdauer und Leitungsfähigkeit beobachten.


3. Verstehen, dass auch das Zwerchfell ein Muskel ist:

Das Zwerchfell ist der größte Atemmuskel des Pferdes. Es durchzieht den kompletten Pferdekörper wie ein Zelt zwischen Brust- und Bauchraum und zieht bei Anspannung die Atemluft tief in die Lungen, bei Entspannung lässt es die verbrauchte Luft wieder aus den Atemwegen entweichen. Hat das MIM Pferd nun eine schlechte Phase, muss man auch an eine Beeinträchtigung der Atmung denken, die das Blut ja mit Sauerstoff versorgt und damit von immenser Bedeutung für Leistungsfähigkeit, Muskelarbeit und Muskelwachstum ist.  Ein Anzeichen für eine Verschlechterung sind beim MIM Pferd daher auch oft Atemgeräusche bis hin zu trockenem Husten. Auch hat das Zwerchfell eine besondere Bedeutung als Durchlasstor für den Transport von Nahrung, Blut, Lymphe und Nervenverbindungen zwischen Brust- und Bauchraum.

Eine Verspannung des großen Atemmuskels kann also auch eine Beeinträchtigung dieser Versorgungswege mit sich bringen. Nicht umsonst gilt Blockaden des Zwerchfells in der Osteopathie ein besonderes Augenmerk. Umso mehr Beachtung sollte das Zwerchfell meiner Meinung nach therapeutisch bei Pferden haben, die muskuläre Beeinträchtigungen durch MIM oder andere Muskelerkrankungen haben.


4. Verstehen, welche zentrale Rolle „Stress“ für das MIM Pferd spielt:

Sich nicht wohl in seiner Haut zu fühlen, nervt. Im wahrsten Sinne des Wortes. MIM Pferde sind stressanfällig. Oft wird dieser als Auslöser für Schübe oder überhaupt als Auslöser für erstmaliges Auftreten typischer Symptome beschrieben. Die Besitzer erleben ihre Pferde als „zuckig-guckig“ und überreizt. Vermeintliche Kleinigkeiten beeinträchtigen die Psyche des MIM Pferdes: Das Nachbarspferd ist auf einem Lehrgang, ein neues Pferd steht in der Stallgasse, die Pferde auf der Nachbarweide haben gewechselt, ein Turnier in besonders lebhafter Atmosphäre, ein notwendiger Klinikbesuch etc. können Auslöser für eine deutliche Zunahme von MIM Symptomen sein.  

Was passiert, wenn ein Pferd unter Stress gerät? Als zentrales Stresshormon gilt das Cortisol. Das Stresshormon stellt im Körper Energie für eine Flucht oder einen Kampf bereit. Das tut Cortisol unter anderem, indem es in der Gluconeogenese Zucker aus Muskelprotein bildet und damit Muskelmasse abbaut. Ein andauernd erhöhter Stresspegel und damit andauernd erhöhtes Cortisollevel kann also bedeuten, dass besonders die strukturgeschädigte Muskulatur des MIM Pferd schwerer regeneriert, als sie durch den Dauerstress abgebaut wird.

Pferde in domestizierter Umgebung leiden eher an stillem Stress, der durch die Haltungsumgebung in der Regel nicht durch Flucht abgebaut werden kann, wie in der Natur üblich. Dies trifft in Abstufungen meiner Meinung nach auf jede Haltungsform zu. Wenn auch im Offen- oder Aktivstall die Auslöser für Stress eben andere sind als in der Haltung in einer Paddockbox. Damit einhergehend kommt es zur Cortisolanhäufung die weitere negative Folgen hat:

  • Dauerhaft erhöhtes Cortisol zieht dauerhaft Energie vom Magen-/Darmtrakt ab, was zu Verdauungsproblemen führen kann

  • Dauerhaft erhöhtes Cortisol schränkt wichtige Immunreaktionen und Botenstoffe ein, die z.B. der Abwehr gegen Infekte dienen oder Entzündungen im Körper eindämmen

  • Dauerhaft erhöhtes Cortisol bedingt einen andauernden Blutdruckanstieg und Gefäßverengung, um eine vermeintlich notwendige Flucht zu ermöglichen. Oft zeigt sich dies z.B. an zunehmend „angelaufenen“ Beinen oder vermehrter Gallenbildung. Aber natürlich belastet dieser Zustand vor allem den wichtigsten Muskel des Körpers: Das Herz.

Ein erhöhtes Stress- und Cortisollevel hat für das MIM Pferd Einfluss auf zentrale Regenerationsmechanismen des Körpers und kann so also Abbauprozesse in der Muskulatur, aber auch negative Folgen für wichtige Organsysteme, wie Herz, Atmung, Verdauung und Infektabwehr nach sich ziehen. Daher muss meiner Meinung nach der psychischen Ausgeglichenheit gerade des MIM Pferdes ein ganz zentrales Augenmerk gelten.


Mein ganzheitliches Therapiekonzept für dein MIM (PSSM2) Pferd:

„Abbau verhindern – Aufbau unterstützen“

  • Manuelle Therapieansätze und Dry Needling mit Fokus auf die Typ IIb Muskulatur

  • Osteopathische Therapie für Zwerchfell und Mediastinum zur Unterstützung von Atmung und Herz-/Kreislauf

  • Kraniosakraltherapeutische Maßnahmen zur Homöostase der psychischen Ausgeglichenheit

  • Naturheilkundlicher Plan zur Vermeidung entzündlicher Prozesse und des Ausbreitens freier Radikale, natürliche Unterstützung der Sauerstoffversorgung der Muskulatur und des Abbaus von Laktat

  • Naturheilkundlicher Plan zur Cortisol-Homöostase

  • Naturheilkundlicher Plan zur Unterstützung des Schlaf-/Wachrhythmus, der Produktion von Dopamin, Serotonin und Melatonin

 

Hast du Interesse an einem MIM Therapiekonzept für dein Pferd oder Fragen dazu? Dann melde dich gern unverbindlich oder für einen ersten Termin.


 
 
 

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